Bericht über die Tagesfahrt zu literarischen Orten in Stormarn
Es gibt wohl kaum einen Landkreis in Schleswig-Holstein, der so gesegnet ist mit Schriftstellern wie unser Stormarn. Das sagte sinngemäß Joachim Wergin auf unserer ›Tagesfahrt zu literarischen Orten in Stormarn‹. Das war am 7. September 2017. Diese Rundfahrt war wie eine Kette mit schönen Perlen in Form von glänzenden Dichternamen und interessanten Gebäuden, die mit diesen Namen zusammenhängen.
Als alle Teilnehmer ›eingesammelt‹ waren, ging es dann los. Herr Wergin begrüßte uns im Namen des Heimatbundes Stormarn und unseres Heimatvereins Großhansdorf. Diese Veranstaltung, parallel zum 150. Jubiläum unseres Kreises, sollte die Literatur hervorheben.
Es ging dann zuerst nach Reinfeld zur Matthias-Claudius-Kirche. Dort war der berühmte Dichter als Sohn eines Pastors geboren worden. Wir nahmen auf den Bänken Platz, und Herr Wergin sprach ausführlich über den Werdegang des späteren ›Wandsbecker Bothen‹ und seine vielen bedeutenden Werke. Er sprach auch die Grabstätte in Wandsbek an und das ziemlich neue Denkmal auf dem Gelände des Busbahnhofs: da springt er über seinen kleinen Sohn hinweg.
 Frau Gisela Ritscher vom Stormarner Schriftstellerkreis, die auch Mitglied der ›Plattdüütsch Runn‹ ist, las aus ›Täglich zu singen‹:
Gott gebe mir nur jeden Tag, Soviel ich darf zum Leben. Er gibt's dem Sperling auf dem Dach; Wie sollt er's mir nicht geben!
Und Herr Wergin las aus ›Die Sternseherin Lise‹:
Ich sehe oft um Mitternacht, Wenn ich mein Werk getan Und niemand mehr im Hause wacht, Die Stern' am Himmel an.
Schließlich sangen wir mehrere Strophen seines wohl bekanntesten Gedichts ›Der Mond ist aufgegangen‹, und es erwies sich, dass die meisten von uns erstaunlich textsicher waren. Am Schluss heißt es da:
Verschon uns, Gott! mit Strafen, Und lass uns ruhig schlafen! Und unsern kranken Nachbar auch!
Neben der Kirche ist eine Matthias-Claudius-Schule mit bunten Farben.
Dann ging es weiter zum Schloss Tremsbüttel, in dem sich früher mehrere bekannte Schriftsteller und Geistesgrößen wie Friedrich Gottlieb Klopstock, Matthias Claudius und Wilhelm von Humboldt getroffen haben. U.a. darüber berichtete Herr Wergin, als wir hinter dem schönen Gebäude im Park standen. In der Nähe war eine riesige, umfangreiche Buche, die besonders Frau Wergin gefiel. – In den 50er-Jahren und danach waren viele Prominente Gäste des Schlosshotels, darunter auch die Beatles.
Weiter ging die Fahrt zum ›Fasanenhof‹ am Rande des imposanten Barockparks Jersbek. Das ist ein 250 Jahre alter Gasthof, der früher Logierbetrieb des Gutshofes gewesen war. Beim Vorbeifahren sahen wir das schöne Torhaus, hinter dem sich das Gutsgebäude versteckt. Der Park ist öffentlich zugänglich und für diejenigen einen Ausflug wert, die ihn nicht schon kennen sollten. Dort gibt es auch die Grabstelle des damaligen Gutsherrn Paschen von Cossel und einen ›Friedenswald‹; aber das ist eine andere Geschichte, eine andere Perle …
In einem gemütlichen Raum war für uns gedeckt, und es gab etwas Besonderes, nämlich ein Bratkartoffel-Büffet. In einer riesigen Pfanne schmurgelten also lecker duftende Bratkartoffeln, und es gab dazu eine große Auswahl an Fleisch- und Fischbeilagen, mit leckeren Soßen usw. – Schnell bildete sich eine große Schlange, denn nach so vielen Kulturgenüssen meldete sich jetzt der Appetit auf Herzhaftes aus der Küche. – Das war im Preis mit einbegriffen, aber jeder suchte sich dann noch das passende Getränk dazu aus. Durch das Fenster konnten wir den schönen Kaffeegarten sehen, wo man gemütlich unter Bäumen sitzen kann.
Dann wurde es Zeit zum Aufbruch. Am historischen Eiskeller vorbei ging es dann zu einem weiteren Höhepunkt der Fahrt, zum Dorfmuseum Hoisdorf. Dort sind viele Möbel, Gegenstände, Werkzeuge usw. aus der bäuerlichen Zeit zu bestaunen, was auch für Kinder interessant ist, besonders die Dorfschule im Obergeschoss mit alten Bänken usw. Einige der Teilnehmer haben Dinge dafür gestiftet, u. a. einen alten Küchenschrank mit ganz besonderen Kacheln.
Der Leiter des Museums, Herr Klaus Bustorf, erläuterte einiges und betonte dabei das große Engagement von Joachim Wergin beim Aufbau dieses Museums und seine verschiedenen Aktivitäten wie Vorlesen usw. Aber das Kernstück seiner Arbeit ist der Aufbau der Herrmann-Claudius-Stube mit dem Mobiliar seines Arbeitszimmers, einer Dokumentation seines umfangreichen Werkes, vielen Bildern usw. usw.
Herrmann Claudius ist der Urenkel des ›Wandsbeker Boten‹, wurde Lehrer in Hamburg und betätigte sich dann als Schriftsteller, immer im Schatten des berühmten Großvaters. Zuletzt baute er sich ein Haus in Grönwohld, wo er dann mit seiner zweiten Frau lebte. Wergins hatten damals kaum Kontakt mit ihm. Er ist dann 1980 nach einem Treppensturz gestorben. Danach kam Joachim Wergin in engeren Kontakt mit der Witwe, und sie bauten zusammen in mühseliger Arbeit diese Erinnerungsstätte für den Schriftsteller auf. Es ist übrigens die einzige, die es bisher gibt!
Wir setzten uns dann in der Diele hin, und Herr Wergin stand in der offenen Tür dieser Stube und berichtete ausführlich über Leben und Werk. Von Herrmann Claudius stammt auch der Text von »Wann wir schreiten Seit' an Seit' …«, das dann zum Lied der Sozialdemokraten wurde. Deswegen und wegen anderer Texte dieser Ausrichtung wurde er ›Arbeiterdichter‹ genannt. Dann trug Frau Ritscher das ›Lanternelied‹ und ›Stormarn‹ vor. – Übrigens konnte man durch die offene Tür die Treppe sehen, auf der er in seinem Haus mit 102 Jahren verunglückt war. Sein Grab befindet sich auf dem Friedhof in Lütjensee, neben der Tymmo-Kirche. (Auf demselben Friedhof, ganz in der Nähe, ist auch das Grab meines alten Freundes Leonhard Hundsdoerfer, der sich ja auch literarisch betätigt hat, z. B. im ›Stormarner Tageblatt‹. Ein bisschen gehört er auch zu den Stormarner Schriftstellern, dachte ich …)
Danach konnten wir uns noch einiges in der Stube und im übrigen Museum ansehen. Dann war es Zeit, zur letzten ›Perle‹ dieser Fahrt aufzubrechen, nämlich zum Restaurant ›Seehof‹ in Lütjensee, am hohen Ufer des Sees. Dort ging es nun wieder um irdische Genüsse, ein großes Angebot an leckeren Torten und Kuchen. Und viele hatten nach all dem auch einen ausgeprägten Kaffeedurst mitgebracht.
Aber es gab auch hier Literarisches dazu. Diesmal ging es um Detlev von Liliencron, der zuletzt in Altrahlstedt gewohnt hat, was damals zu Stormarn gehörte. Dort ist er auch gestorben. Herr Wergin trug ›Die Musik kommt‹ von ihm vor, die sozusagen schmetternde Beschreibung einer vorbeiziehenden Militärkapelle, eindrucksvoll sprachlich eingefangen. Der Schluss lautet:
Noch aus der Ferne tönt es schwach, Ganz leise, bumbumbumbum tsching; Zog da ein bunter Schmetterling, Tschingtsching, bum, um die Ecke?
Ich erinnerte mich dabei, mehrmals eine wunderbare Vertonung im Radio und Fernsehen gehört zu haben; und mir fiel beim Zuhören auch allmählich die eingängige Melodie wieder ein. Eigenartigerweise kannte das sonst kaum niemand in der Gruppe.
Und dann gab es von Herrmann Claudius noch ›Rodegrütt‹:
Leddig is de groten Grapen. Greten ielt, em uttoschrapen. Heini man, de lütte Deef, höllt mit beide Hann'n den Sleef. Wat dar alln's noch binnen sitt! Rodegrütt.
Wir bemühten uns, unsere Tortenteller ebenfalls ›uttoschrapen.‹ – Und dann gab es noch sozusagen den Abschied von Herrmann Claudius, ›De Pahl.‹ Die erste Strophe lautet:
De Weg hett mienen Namen. Bald steiht de Pahl alleen. De Paster spröök sien Amen. Un ik ligg ünnern Steen.
Das war dann auch der Abschied von der letzten Perle. Der Bus brachte uns zurück zur jeweiligen Haltestelle. Und wir waren uns dann einig: Das war eine besonders interessante und eindrucksvolle Ausfahrt – und wie immer perfekt vorbereitet und durchgeführt! Vielen herzlichen Dank, liebe Wergins!
Dieter Klawan
|